„30.000 Euro Schmerzensgeld – oder wir holen die Uhr“: BGH klärt Konkurrenzen bei Raubdelikten
BGH, 25.03.2025 – 5 StR 626/24
§ 354 Abs. 1 StPO; § 357 Satz 1 StPO; § 250 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 StGB; § 253 StGB; § 255 StGB
Leitsätze
Bei Raubdelikten tritt ein Versuch in Bezug auf eine ursprünglich höhere Beute hinter die vollendete Tat mit geringerer Beute zurück.
Der Schuldspruch darf in solchen Fällen nicht auf eine Tateinheit von Versuch und Vollendung gestützt werden.
Mehrere auf dasselbe Ziel gerichtete Nötigungsmittel begründen keine selbstständigen Taten, sondern nur eine einheitliche Tat im rechtlichen Sinn.
Was ist passiert?
Ein Angeklagter hatte sich im Sommer 2019 gemeinsam mit einem Komplizen vorgenommen, von einem Mann 30.000 € „Schmerzensgeld“ zu erpressen. Ihr Plan: Das Opfer unter Druck setzen, zunächst mit Worten – später auch mit einem Messer.
Nachdem sich das Opfer wiederholt vertrösten ließ, reduzierten die Täter ihre Forderung schrittweise auf 5.000 €. Tatsächlich bezahlte der Mann 1.400 € – aus Angst vor weiteren Übergriffen. Um den Restbetrag zu sichern, nahmen ihm die Täter eine wertvolle Uhr als „Pfand“ ab. Noch am selben Tag informierte das Opfer die Polizei.
Bei einer inszenierten Geldübergabe wurde einer der Täter verhaftet.
Entscheidung des BGH
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt – immerhin war das ursprüngliche Ziel ja die Zahlung von 30.000 Euro gewesen. Der Bundesgerichtshof kassierte diesen Schuldspruch: Wenn eine Tat vollendet ist – hier: Zahlung von 1.400 € – trete ein etwaiger weitergehender Versuch auf Konkurrenzebene zurück. Die zusätzliche Erwähnung im Urteilstenor sei nicht erforderlich, so der 5. Strafsenat, denn das begangene Unrecht komme auch ohne das Versuchsstadium hinreichend zum Ausdruck.
Auch die erweiterte Drohung durch Wegnahme der Uhr ändere nichts am einheitlichen Geschehen: Die ursprüngliche Forderung sei aufrechterhalten worden, das Nötigungsmittel nur „aktualisiert“ – also kein neuer Tatentschluss.
Den Schuldspruch hat der BGH daher gemäß § 354 Abs. 1 StPO angepasst. Die Strafe – fünf Jahre und zehn Monate – blieb bestehen: Die ursprüngliche Forderung von 30.000 € sei trotz Reduzierung maßgeblich für die Bewertung des Schuldumfangs.
Bewertung
Mit dieser Entscheidung zeigt der BGH erneut: Eine exakte Trennung von Versuch und Vollendung ist für die Beurteilung der Konkurrenzen essenziell – gerade bei Raub- und Erpressungsdelikten.
Auch wenn der Plan größer war als der tatsächliche Erfolg, wird das Geschehen rechtlich als eine vollendete Tat gewertet, wenn eine Teilleistung erbracht wurde. Die Entscheidung stärkt die dogmatische Klarheit und schützt zugleich vor einer unnötigen Aufblähung von Schuldsprüchen.
In der Klausur sollte man solche Konstellationen genau prüfen – sonst droht trotz guter Argumentation ein formaler Fehler beim Schuldspruch.
Andere Urteile zum Thema
Beim Betrug: BGH, 06.02.2024 – 6 StR 352/23
Kriminelle Vereinigung: BGH, 14.11.2024 – 3 StR 189/24
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