Verwertung von EncroChat-Daten weiterhin möglich
BGH, 30.01.2025 – 5 StR 528/24
Leitsätze
- Die Verwertbarkeit von EncroChat-Daten richtet sich nach deutschem Strafprozessrecht, insbesondere nach § 261 StPO. Eine nachträgliche Gesetzesänderung ändert nichts an der Rechtmäßigkeit der bereits erlangten Beweise.
- Die Datenübermittlung nach einer Europäischen Ermittlungsanordnung (EEA) ist maßgeblich anhand des zum Zeitpunkt der Anordnung geltenden Rechts zu beurteilen. Die nachträgliche Herabstufung des Cannabishandels zu einem Vergehen (§ 34 KCanG) führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
- Der EuGH hat klargestellt, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung bereits bei der Datenübermittlung erfolgen muss. Die nachträgliche Änderung der rechtlichen Bewertung der Tat hat keinen Einfluss auf die Verwertbarkeit der Beweise.
Was ist passiert?
Der Angeklagte wurde durch das LG Berlin I wegen Handels mit Ecstasy-Tabletten und Kokain zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde er vom Vorwurf freigesprochen, im Jahr 2020 große Mengen an Cannabisprodukten verkauft zu haben. Die StA stützte ihre Anklage auf EncroChat-Daten, die im Rahmen einer grenzüberschreitenden Ermittlungsmaßnahme von französischen Behörden erlangt und an Deutschland weitergeleitet wurden. Das LG begründete den Freispruch mit der seit dem 1. April 2024 geltenden Gesetzesänderung, nach der Cannabis-Handel milder bestraft wird und daher eine Online-Durchsuchung nach § 100b StPO nicht mehr gerechtfertigt wäre.
Entscheidung des BGH
Der 5. Strafsenat des BGH hat das Urteil des LG in Bezug auf den Freispruch aufgehoben und klargestellt, dass die EncroChat-Daten weiterhin als Beweismittel verwertbar sind. Maßgeblich seien folgende Erwägungen:
- Die Verwertung von Beweismitteln richtet sich nach deutschem Strafprozessrecht (§ 261 StPO). Da es kein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot gibt, sind die EncroChat-Daten zulässig.
- Die Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung ist nach den zum Zeitpunkt der Ermittlungsmaßnahmen geltenden Gesetzen zu beurteilen. Im Jahr 2020 galt der Handel mit großen Mengen Cannabis noch als Verbrechen nach § 29a BtMG, wodurch die europäische Ermittlungsanordnung rechtmäßig war.
- Der EuGH hat entschieden, dass die Prüfung der Verhältnismäßigkeit bereits bei der Datenübermittlung erfolgen muss. Die spätere Herabstufung der Tat beeinflusst nicht die bereits erlangte Rechtmäßigkeit der Beweise.
- Das BVerfG hat in einem aktuellen Beschluss bestätigt, dass die restriktiven strafprozessualen Verwendungsschranken für EncroChat-Daten verfassungskonform sind.
Aufgrund dieser Erwägungen hat der BGH die Entscheidung aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das LG zurückverwiesen.
Bewertung
Das Urteil stellt eine wichtige Klarstellung zur Beweisverwertung im Strafrecht dar. Es betont, dass die nachträgliche Änderung einer Strafnorm nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot führt, wenn die Beweise unter der damaligen Rechtslage rechtmäßig erlangt wurden. Diese Entscheidung ist insbesondere für laufende Strafverfahren von Bedeutung, in denen EncroChat-Daten als zentrales Beweismittel herangezogen werden. Sie stärkt die Ermittlungsbehörden und setzt ein klares Signal, dass rechtmäßig gewonnene Beweise nicht durch spätere Gesetzesänderungen entwertet werden.
Klausurrelevanz
Quellen
Urteil:
https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/2025021.html
Bild:
https://unsplash.com/de/fotos/schwarz-weiss-smartphone-auf-braunem-textil-6aIPkbZ7zrU
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