Strenge Maßstäbe für die erkennungsdienstliche Behandlung
OVG NRW, 16.01.2025 – 5 A 906/24
Leitsätze
- Die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 81b I StPO ist auch bei Verfahrenseinstellungen nach §§ 153 ff. StPO zulässig, wenn ein fortbestehender Tatverdacht vorliegt.
- Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit ist eine kriminalistische Prognose, ob die gespeicherten Daten künftig zur Aufklärung weiterer Straftaten beitragen können.
- Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 I iVm Art. 1 I GG) erfordert eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an effektiver Strafverfolgung und dem individuellen Freiheitsanspruch.
Was ist passiert?
Der Kläger wandte sich gegen die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Kreispolizeibehörde. Er war in zwei Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung verwickelt, die jeweils eingestellt wurden – eines nach § 153a StPO gegen Auflage, das andere nach § 153 Abs. 1 StPO. Trotz der Einstellungen sah die Polizei eine Wiederholungsgefahr und ordnete die erkennungsdienstliche Behandlung an, um Lichtbilder und Fingerabdrücke zu speichern. Der Kläger beantragte die Aufhebung dieser Anordnung und klagte vor dem Verwaltungsgericht, das jedoch gegen ihn entschied. Seine Berufung wurde nicht zugelassen.
Entscheidung des OVG
Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt und die Zulassung der Berufung verweigert. Es stellte klar:
- Fortbestehender Tatverdacht: Auch wenn Verfahren nach § 153a StPO eingestellt werden, bleibt ein Restverdacht bestehen. Hier hatte der Zeuge die Tatbegehung durch den Kläger bestätigt.
- Kriminalistische Prognose: Die Speicherung erkennungsdienstlicher Daten ist gerechtfertigt, wenn sie künftig zur Aufklärung von Straftaten beitragen können. Der Kläger war in kurzer Zeit mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten, was eine Wiederholungsgefahr begründet.
- Kein Verfahrensmangel: Die bloße Behauptung des Klägers, sich geändert zu haben, genügt nicht, um die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen. Zudem war der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen das öffentliche Interesse an effektiver Strafverfolgung abzuwägen.
Bewertung
Diese Entscheidung stärkt die Ermittlungsbehörden und zeigt, dass erkennungsdienstliche Behandlungen auch bei eingestellten Verfahren rechtmäßig sein können, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht. Die Gerichte stellen hohe Anforderungen an die Darlegung ernstlicher Zweifel, sodass die Ablehnung einer Berufung keine Seltenheit ist. Wer sich gegen eine erkennungsdienstliche Behandlung wehren will, muss substantiiert aufzeigen, warum eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen ist – bloße Behauptungen reichen nicht aus.
Klausurrelevanz
Urteil:
https://nrwe.justiz.nrw.de/ovgs/ovg_nrw/j2025/5_A_906_24_Beschluss_20250116.html
Bild:
https://www.pexels.com/de-de/foto/identitat-dokumentarfilm-fingerabdruck-nahansicht-8382599/
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