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„FUCK“ im Gesicht: BGH bejaht schwere Körperverletzung trotz möglicher Laserentfernung

BGH, 10.04.2025 – 4 StR 495/24

§ 226 Abs 1 Nr. 3 StGB

Leitsätze

  1. Das Tätowieren eines anstößigen Schriftzugs im Gesicht stellt regelmäßig eine erhebliche und dauerhafte Entstellung im Sinne von § 226 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB dar, selbst wenn eine Entfernung durch Lasertherapie grundsätzlich möglich wäre.

  2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Dauerhaftigkeit ist der Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils; eine mögliche, aber nicht in Anspruch genommene Korrekturmaßnahme steht der Annahme der Dauerhaftigkeit nicht entgegen.

  3. Verursacht der Täter die entstellende Wirkung zielgerichtet zur Stigmatisierung des Opfers, liegt auch eine absichtliche Verursachung der schweren Folge im Sinne von § 226 Abs. 2 StGB vor.

Was ist passiert?

Im Dezember 2023 tätowierte ein Mann – auf Wunsch des späteren Angeklagten – eine Zahlenkombination auf dessen Fingerrücken. Aufgrund eines Versehens stach er jedoch „1213“ statt des gewünschten Codes „1312“.

Aus Rache tätowierte der Angeklagte dem Mann anschließend den Schriftzug „FUCK“ in rund 1,5 x 4,5 cm Größe über die rechte Augenbraue.

Das Opfer schämte sich seither, verdeckte das Tattoo mit seiner Frisur und konnte sich eine schmerzhafte und teure Laserentfernung nicht leisten. Wenige Tage später kam es zu einer weiteren Gewalteskalation mit lebensgefährlichen Angriffen und Todesdrohungen durch den Angeklagten.

Entscheidung des BGH

Das LG Bochum verneinte eine schwere Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob der 4. Strafsenat des BGH diese Entscheidung auf.

Der BGH stellte klar, dass eine Tätowierung im Gesicht eine erhebliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes darstellt, vergleichbar mit einer auffälligen Narbe. Das Wort „FUCK“ habe zudem eine besondere stigmatisierende Wirkung, da es von einem Großteil der Bevölkerung als vulgär empfunden werde.

Die Entstellung sei auch „dauerhaft“, da zum Zeitpunkt des landgerichtlichen Urteils weder eine Entfernung erfolgt noch eine konkrete Beseitigungsabsicht erkennbar gewesen sei. Die Tatsache, dass eine Lasertherapie grundsätzlich möglich sei, ändere daran nichts – insbesondere, wenn sie aus finanziellen Gründen nicht durchgeführt wird.

Ferner sah der Senat die Voraussetzungen des § 226 Abs. 2 StGB als erfüllt an: Der Angeklagte habe gerade beabsichtigt, das Opfer durch die sichtbare Tätowierung dauerhaft zu brandmarken und gesellschaftlich zu diskreditieren.

Bewertung

Die Entscheidung unterstreicht die weite Auslegung des Merkmals der „dauerhaften und erheblichen Entstellung“ im Strafrecht.

Der BGH verdeutlicht, dass kosmetische Korrekturmöglichkeiten die Dauerhaftigkeit nicht automatisch entfallen lassen – entscheidend ist die tatsächliche Lebensrealität des Opfers zum Urteilszeitpunkt. Für die Praxis bedeutet dies, dass Täter sich nicht mit dem Hinweis auf theoretische Beseitigungsmöglichkeiten ihrer Verantwortung entziehen können.

Für Ausbildung und Examen liefert der Fall ein prägnantes Beispiel für die Auslegung von § 226 StGB und die Abgrenzung zu einfacheren Körperverletzungsdelikten.

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Klausurrelevanz

Quellen

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=142449&pos=0&anz=1

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