Ablehnung eines Referendars mit rechtsextremem Hintergrund
BVerwG, 10.10.2024 – 2 C 15.23
Art. 12 GG; Art. 21 Abs. 2 GG; Art. 33 Abs. 5 GG; § 7 I 1 Nr. 2 BeamtStG; § 7 Nr. 6 BRAO; BaySiGjurVD; BayJAPO
Die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst ist kein automatischer Anspruch, sondern erfordert neben fachlicher auch charakterliche Eignung. Das BVerwG hat entschieden, dass eine Verweigerung der Aufnahme in den Referendardienst wegen fehlender Verfassungstreue rechtmäßig ist, auch wenn das Ausbildungsverhältnis nicht im Beamtenstatus erfolgt.
Leitsatz
Auch Bewerber für einen nicht im Beamtenverhältnis ausgestalteten juristischen Vorbereitungsdienst müssen Mindestanforderungen an eine Verfassungstreuepflicht erfüllen. Daran fehlt es, wenn sie sich aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigen.
Was ist passiert?
Der Kläger hatte nach Abschluss seines Jurastudiums und dem Bestehen der Ersten Juristischen Prüfung einen Antrag auf Aufnahme in den bayerischen juristischen Vorbereitungsdienst zum 1. April 2020 gestellt. Der Präsident des zuständigen OLG lehnte den Antrag ab, da der Kläger seit 2013 Mitglied der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ und dort als Funktionär aktiv gewesen sei. Neben früheren Betätigungen in der NPD und dem inzwischen verbotenen „Freien Netz Süd“ habe er in Reden und öffentlichen Auftritten eine verfassungsfeindliche Gesinnung gezeigt. Seine Eignung für den Vorbereitungsdienst sei daher nicht gegeben.
Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung Rechtsmittel, unterlag jedoch in mehreren Instanzen. Später wurde ihm der Referendardienst in einem anderen Bundesland gewährt, und er arbeitet mittlerweile als Rechtsanwalt. Dennoch wollte er weiterhin eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung in Bayern erreichen.
Entscheidung des BVerwG
Das BVerwG wies die Revision zurück und bestätigte die Entscheidung des BayVGH:
- Gesetzliche Grundlage: Das BVerwG stellte klar, dass die bayerischen Vorschriften zur Zulassung in den Vorbereitungsdienst durch Verweisung auf das Beamtenstatusgesetz eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Ablehnung eines Bewerbers aus charakterlichen Gründen bieten.
- Eignungsanforderungen: Auch wenn der juristische Vorbereitungsdienst nicht im Beamtenstatus absolviert wird, müssen Bewerber grundlegende Anforderungen an die Verfassungstreue erfüllen. Wer aktiv gegen die Verfassung arbeitet oder verfassungsfeindliche Organisationen unterstützt, kann nicht für den Vorbereitungsdienst zugelassen werden.
- Parteizugehörigkeit als Kriterium: Die Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen, aber als verfassungsfeindlich eingestuften Partei kann zur Ablehnung führen, wenn der Bewerber dort eine aktive Rolle einnimmt. Das Parteienprivileg aus Art. 21 GG schützt den Bestand und die Betätigung einer Partei, nicht jedoch den individuellen Zugang zu öffentlichen Ausbildungsstellen.
- Berufsfreiheit und Verhältnismäßigkeit: Die Ablehnung verletzt nicht das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG), da die juristische Ausbildung in einem anderen Bundesland absolviert werden konnte. Die Entscheidung diente dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Justiz und war verhältnismäßig.
Bewertung
Das Urteil betont, dass der Staat nicht verpflichtet ist, Personen auszubilden, die verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützen. Wer sich aktiv für eine extremistische Organisation engagiert, kann nicht erwarten, Zugang zu einer juristischen Ausbildung zu erhalten, die ihn in Zukunft an der Rechtsprechung beteiligen würde. Auch wenn das Parteienprivileg den Bestand einer Partei schützt, bedeutet dies nicht, dass ein Bewerber mit extremistischen Funktionen automatisch Anspruch auf eine juristische Ausbildung hat.
Das Urteil setzt klare Grenzen für den Zugang zum Vorbereitungsdienst und stellt sicher, dass nur Personen mit verfassungskonformer Einstellung Zugang zur Justizausbildung erhalten. Dies dient letztlich dem Schutz der Integrität der Rechtspflege und der demokratischen Ordnung.
Andere Urteile zum Thema
VerfGH Sachsen, 04.11.2021 – 96-IV-21 (e.A.)
Klausurrelevanz
Quellen
Urteil
https://www.bverwg.de/de/101024U2C15.23.0
Bild
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