OVG Schleswig wertet Presseauskunft als VA
OVG Schleswig, Beschluss vom 17.10.2025 – 6 MB 28/25
Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG; Art. 5 Abs. 2 GG; § 35 VwVfG
Leitsätze
Die Ablehnung einer behördlichen Presseauskunft stellt keinen bloßen Realakt, sondern einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG dar.
Ein presserechtlicher Auskunftsanspruch ist daher zunächst im Widerspruchsverfahren geltend zu machen (§ 68 VwGO); im Streitfall ist nicht das Land, sondern die auskunftsverpflichtete Behörde selbst richtige Beklagte.
Die Verfahrensanforderungen des Verwaltungsrechts stellen keine unzulässige Beschränkung der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG dar, sondern sind Teil der verfassungsrechtlich zulässigen Schranken.
Sachverhalt
Der Axel Springer Verlag wollte von der Staatsanwaltschaft Flensburg Auskunft über ein laufendes Ermittlungsverfahren erhalten. Diese verweigerte die Auskunft. Daraufhin stellte der Verlag beim Verwaltungsgericht Schleswig einen Eilantrag gegen das Land Schleswig-Holstein, um die Herausgabe der Informationen doch noch zu erreichen.
Das Verwaltungsgericht wies den Antrag ab. In der Beschwerdeinstanz befasste sich nun das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig mit der Frage, gegen wen sich ein solcher Antrag eigentlich richten muss – und vor allem, ob die behördliche Entscheidung, keine Auskunft zu erteilen, einen Verwaltungsakt darstellt oder nur schlichtes Realhandeln ist.
Entscheidung des OVG Schleswig
Das OVG Schleswig erklärte den Antrag für unzulässig, weil er gegen den falschen Antragsgegner gerichtet war: Nicht das Land Schleswig-Holstein, sondern die Staatsanwaltschaft Flensburg sei die richtige Adressatin.
Zur Begründung stellte der Senat klar, dass die Ablehnung einer Presseanfrage ein Verwaltungsakt sei. Sie entfalte unmittelbare Rechtswirkung nach außen und regelte verbindlich, ob ein Journalist Auskunft erhält oder nicht. Damit unterscheide sich der Vorgang grundlegend vom bloßen Realhandeln, etwa der tatsächlichen Auskunftserteilung oder einer informellen Mitteilung.
Diese Einstufung hat verfahrensrechtliche Konsequenzen:
Vor einer Klage müsse künftig ein Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung eingelegt werden (§ 68 Abs. 1 VwGO). Erst wenn dieser erfolglos bleibt, sei eine Verpflichtungsklage zulässig. Auch im Eilverfahren müsse sich der Antrag gegen die konkret auskunftspflichtige Behörde richten – hier also die Staatsanwaltschaft, nicht das Land.
Der Senat widersprach der in Literatur und Rechtsprechung bisher vorherrschenden Ansicht, wonach der presserechtliche Auskunftsanspruch auf ein schlichtes Realhandeln gerichtet sei. Von einer „Abkehr von einer 70-jährigen Verfassungstradition“, wie der Verlag argumentierte, könne aber trotzdem keine Rede sein: Das Gericht sehe sich vielmehr in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts.
Bewertung
Mit dieser Entscheidung stellt sich das OVG Schleswig gegen die bisher weitgehend hM und verleiht dem presserechtlichen Auskunftsanspruch eine neue verfahrensrechtliche Dimension. Für Journalisten bedeutet das längere Wege zum Rechtsschutz: Statt einer direkten Leistungsklage ist künftig zunächst der Widerspruchsweg einzuhalten.
Dogmatisch ist die Entscheidung aber gut vertretbar: Die Ablehnung erfüllt alle Tatbestandsmerkmale eines VA. Das Gericht betont zugleich, dass der effektive Rechtsschutz dadurch nicht gefährdet werde, da im Eilverfahren weiterhin eine Entscheidung auch unter Vorwegnahme der Hauptsache möglich bleibe.
Praktisch wird der Beschluss die Prozessstrategie großer Medienhäuser verändern: Sie müssen künftig genauer prüfen, gegen wen sich ihre Anträge richten und ob vor Klageerhebung ein Widerspruch erforderlich ist. Ob sich die Linie des OVG Schleswig bundesweit durchsetzt, bleibt abzuwarten.
Andere Urteile zum Thema
Klausurrelevanz
Quellen
https://www.schleswig-holstein.de/DE/justiz/gerichte-und-justizbehoerden/OVG/Presse/PI_OVG/2025_10_17_Beh%C3%B6rden_Presseanfr_va?nn=e2ec8178-da32-49c8-b837-48df11a696d2

No responses yet