Eigenbedarf schon bei plausiblem Selbstnutzungswunsch
BGH, 24.09.2025 – VIII ZR 289/23
Art 14 Abs 1 S 1 GG, § 573 Abs 1 S 1 BGB, § 573 Abs 2 Nr 2 BGB, § 573 Abs 2 Nr 3 BGB
Leitsätze
Für eine Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB genügt es, wenn der Vermieter den ernsthaften und nachvollziehbaren Wunsch hat, die Wohnung künftig selbst zu nutzen; ein zwingendes „Angewiesensein“ ist nicht erforderlich.
Der Eigenbedarf entfällt nicht dadurch, dass der Vermieter ihn durch Umbau- oder Verkaufspläne selbst herbeiführt.
Gerichte dürfen dem Vermieter keine eigenen Maßstäbe für „angemessenes Wohnen“ auferlegen; entscheidend ist allein die Plausibilität des Nutzungswunsches.
Sachverhalt
Ein Berliner Vermieter bewohnte bislang eine Wohnung im vierten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses. Er plante, diese mit dem Dachgeschoss zu einer größeren Einheit umzubauen und anschließend zu verkaufen. Während der Umbauphase und auch danach wollte er in die darunterliegende, bislang vermietete Wohnung im dritten Obergeschoss einziehen und kündigte der dort wohnenden Mieterin wegen Eigenbedarfs.
Das AG Berlin-Charlottenburg hielt die Kündigung für wirksam.
Das LG Berlin hingegen sah darin keinen echten Eigenbedarf, sondern eine missbräuchliche Verwertungskündigung.
Entscheidung des BGH
Der BGH hob das Urteil des LG auf. Das Gericht stellte klar, dass eine Eigenbedarfskündigung nicht daran scheitert, dass sich die Wohnverhältnisse des Vermieters durch den Umzug kaum verbessern oder der Bedarf „willentlich herbeigeführt“ wurde.
Der Gesetzeswortlaut des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB verlange kein besonderes Bedürfnis oder eine zwingende Notwendigkeit. Ausreichend sei ein plausibler, ernsthafter und nachvollziehbarer Wunsch, die Wohnung künftig selbst zu bewohnen. Gerichte dürften nicht prüfen, ob der geplante Umzug „vernünftig“ sei oder ob der Vermieter die bisherige Wohnung beibehalten könne.
Auch der Umstand, dass der Eigenbedarf im Zusammenhang mit einem geplanten Umbau und anschließenden Verkauf stehe, sei unerheblich. Der Vermieter wolle die vermietete Wohnung nicht veräußern, sondern tatsächlich selbst nutzen – dies sei für die Begründung des Eigenbedarfs ausschlaggebend. Eine Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB komme daher nicht in Betracht.
Bewertung
Die Schwelle für eine wirksame Eigenbedarfskündigung bleibt niedrig: Es reicht, wenn der Wunsch zur Selbstnutzung nachvollziehbar erscheint – Gerichte dürfen keine „Wohnbedarfskontrolle“ betreiben.
Die Entscheidung fügt sich in die Linie früherer Urteile ein, wonach die Gerichte die Lebensplanung des Vermieters zu respektieren haben. Dass ein Eigenbedarf auch dann vorliegen kann, wenn er aus wirtschaftlichen Überlegungen oder Umbauplänen resultiert, stärkt die Rechtssicherheit für Eigentümer.
Für Mieter bedeutet dies: Der Schutz vor Eigenbedarfskündigungen bleibt eng begrenzt. Nur wenn der Eigenbedarf offensichtlich vorgeschoben oder rechtsmissbräuchlich ist, können sie sich erfolgreich wehren.
Andere Urteile zum Thema
BGH, 06.08.2025 – VIII ZR 161/24 (Kündigungssperrfrist bei Verkauf an Personenhandelsgesellschaft)
BGH, 16.04.2025 – VIII ZR 270/22 (Anforderungen an den Sachvortrag eines Mieters zu einer gesundheitlichen Härte)
Quellen
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=143084&pos=0&anz=1
https://www.pexels.com/de-de/foto/pappkartons-im-wohnzimmer-3434533/

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